„Das weiß ich doch schon alles.“

Man kann Texte mehr oder weniger leicht benutzen, um sich mit dem eigenen großartigen Wesenskern zu verbinden. Das ist das Schöne an spirituellen Büchern. Es erscheint alles so logisch, so nachvollziehbar, so einfach. Es bringt die Saiten des Höchsten in unserem menschlichen Bewusstsein zum Schwingen. Etwas sehr Freudiges geht in Resonanz. Man fühlt sich inspiriert.

Nun hat mich kürzlich ein alter Freund angesprochen: „Deine Blogs sind ja ganz gut geschrieben, aber das weiß ich doch schon alles, ich habe schon so viel gelesen, aber das bringt mir nichts, die Umsetzung ist das Problem.“ Ja, da hat er Recht. Wenn man da stehen bleibt, spirituelle Information zu konsumieren. Sich nur auf Licht zu konzentrieren führt zu Verblendung. So ist das auch, wenn man in die Sonne guckt. Oder in einen LED-Strahler.

Ich meine, völlig klar, wenn ein Autor sich mit dem Göttlichen in sich verbindet und einen Text runterschreibt, dann ist dieser Text sehr lichtvoll. Das kann den Leser mit dem Licht in sich in Berührung bringen, wenn er bereit dafür ist. Doch es ist wichtig, sich dieses Lichtes erst einmal gewahr zu werden, um es dann in die Dunkelheit, in die Schattenwelt der eigenen Psyche zu tragen. Licht und Schatten müssen gleichermaßen wichtig genommen werden. Sonst wäre das in etwa so wie Laufen mit einem Bein. Dort, wo Licht und Schatten aufeinandertreffen, findet Erkenntnis, Veränderung, Transformation statt. Dort, wo die liebevolle Mutter, der liebevolle Vater auf das kleine, ängstliche, einsame, schreiende, hilflose Kind trifft.

Wie komme ich mit dem Schatten in Berührung? Da bietet das Leben laufend reichlich Möglichkeiten!
Zum Beispiel, indem ich einen Text mit meiner Aufmerksamkeit im Körper lese und liebevoll hinspüre: wo fühle ich mich berührt? An welchen Textstellen und Körperstellen empfinde ich Mangel, Sehnsucht, Freude, Ärger, Begeisterung oder einen Kloß im Hals? Und andererseits, indem ich meinen von liebevoller Präsenz angetriebenen Geist bemühe, zu reflektieren: wie sieht es in meinem eigenen Leben aus? Was denkt ES in mir? Wie gut gelingt mir die Umsetzung und mit welchen Überzeugungen halte ich mich noch entschlossen am Alten fest? Jede Überzeugung ist auch eine Entscheidung. Bewusst oder unbewusst.

Wie auch im Physischen entsteht auch im Seelischen der wahrnehmbare Schatten nur durch eine Lichtquelle und ein Objekt. Ein Objekt, welches im Dunkeln unsichtbar wäre. Und das bei Lichte betrachtet nicht ewig Bestand hat, weil es sich als Illusion entpuppt. Dieses Objekt ist nun – übertragen auf die Psyche – ein Muster, ein Ego-Aspekt, ein innerer Anteil, ein Trauma, ein alter Schmerz. Der Schatten, den es wirft, zeigt sich auf dieser Leinwand, die wir „Körper“ (bzw. Physis, die körperliche, erfahrbare Welt) nennen und die wir in Form von Emotionen und abstrakten Körperempfindungen wahrnehmen.

Worauf es hinaus läuft: lies deinen Text, der dich interessiert, bewusst und mit Gefühl. Es geht nicht um das intellektuell vermittelte Wissen eines spirituellen Textes, sondern um dessen Schwingung, um die Frage: Was macht das mit mir? Wer bin ich in Beziehung zu dem was ich lese? Das alles gilt es Herzlich Willkommen zu heißen. Dadurch findet die Begegnung von Schatten und Licht statt, das Objekt als Ursache des Schattens wird transparenter und der Schatten wird zunehmend mit Licht (Bewusstsein) durchflutet.
Dadurch wird klarer: Wofür habe ich mich bisher entschieden? Mit welchen Überzeugungen erzeuge ich diese Emotionen oder Blockaden in mir? Und dann gegebenenfalls neu zu entscheiden. Jede Körperzelle über die neue Entscheidung zu informieren.

Als Aufbauübung empfehle ich weniger Helles, zum Beispiel die Dramen des Weltgeschehens mit der gleichen Haltung zu lesen. Texte sind hier einfacher zu nutzen, da wir die Geschwindigkeit des Informationsflusses selbst steuern können. Übungsmaterial gibt es reichlich und kostenlos auf den einschlägigen Nachrichtenseiten. Für extrem Fortgeschrittene eignen sich auch bewegte Bilder mit Ton.

Liebevolle Auseinandersetzung mit dem Echo im Innen ist in diesen Zeiten sehr angesagt. Ich wünsche dir viel Freude dabei!

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