Was ist vergeudete Zeit?
Es ist wieder Abend. „Wieder habe ich nichts geschafft, habe meine Zeit mit Liegenbleiben, Herumräumen, Abhängen, Spaziergängen in der Natur und im Facebook, Kochen, Internet-Recherchen und unsinnigen Datei-Sortierarbeiten vergeudet.“ „Und meine Freundin macht sich’s einfach, sie hat heute wieder Zeit vergeudet mit sinnlosem Kaffeklatsch und merkt es nicht einmal“ sagt eine Stimme in mir.
Sie produziert ein Gefühl der Unzufriedenheit, Negativität, Einsamkeit und Druck. Das Leben hat nun mal nur eine begrenzte Anzahl an Stunden und ich bin doch hier um etwas größeres ins Leben zu bringen, vielleicht sogar bedeutsam zu sein für die Bewusstwerdung der Gesellschaft. Es bleibt nicht viel Zeit. Sagt eine Stimme in mir.
Ist das die Stimme des Herzens, meiner Seele? Ich fühle in und um meinen Herzraum. Es zieht sich zusammen bei diesem Gedanken. Es kann nicht die Stimme des Herzens sein. Somit kann es nicht meine Wahrheit sein, sondern es ist die Stimme des Egos. Dabei öffnet sich mein Herz wieder, während ich diese Zeilen schreibe. Naja, wenn DAS nicht Zeit vergeuden ist, dann stelle ich mir die Frage: gibt es überhaupt so etwas wie „Zeit vergeuden“?
Wieder verschließt sich mein Herz. Und da kommt mir auch schon eine interessante Antwort. Im Grunde genommen hat die Seele, wenn man den Reinkarnationsgedanken konsequent zu Ende denkt, unbegrenzt Zeit. Inkarnier ich halt nochmal. Und nochmal. Zumal ja Zeit eh eine Illusion ist. Insofern: kann man etwas vergeuden, was praktisch unbegrenzt zur Verfügung steht? Lass uns Meerwasser vergeuden! Oder Sand! Oder Luft! Oder Zeit? Vergeuden ist, wenn man etwas aufbraucht und dabei den Wert von etwas missachtet, vielleicht auch weil man sehr viel davon hat. Okay, alles hat seinen Preis. Um heute als erwachsener Mann dazustehen, hat es viel Mühe gebraucht, vor allem seitens meiner Eltern, aber natürlich insbesondere auch von mir. So oft hingefallen und wieder aufgestanden. So viel Schmerz hat es gekostet bis hier her zu kommen. „Willst du dieses Leben wirklich vergeuden?“ fragt die Stimme erneut in meinem Kopf.
Und dann gibt es ja noch diesen ominösen Seelenplan: “Achte darauf, dass du ihn einhältst, dein Versprechen gegenüber deiner Seele einlöst. Bevor es zu spät ist. Sonst bist du ein Verweigerer. War wohl nix.” Das gleicht ja fast schon einem Suizid. Und im nächsten Leben geht’s wieder von vorn los. Täglich grüßt das Murmelgetier. Ne danke. Dann mach ich jetzt eben meine Hausaufgabe. Aber wie denn?
Indem ich mich mit der Liebe die ich bin verbinde und diesen Tag so wie er war heute annehme. Und indem ich all meine Stimmen im Kopf genau hinterfrage mithilfe meines Herzens. Aus Sicht des Egos war der Tag heute vergeudet. Denn dem Ego bleibt nicht mehr viel Zeit. Es kann nur in Zielen denken, in Erfolg und Misserfolg. Doch der transzendente, zeitlose Aspekt von mir, das wahre ICH-BIN ist Liebe und ist Zeuge all dessen was hier geschieht. Er bezeugt aufmerksam, wie ich mich wie ein Entfesselungskünstler von den Illusionen der 4D (3D und Zeit) befreie. Und erfährt dadurch sich selbst im Kontrast zur Erfahrung des Nicht-Selbst, des künstlich geschaffenen kleinen Ichs, des Egos. Es geht um Farbunterschiede und Konturen, die ein Bild entstehen lassen.
Diese Intelligenz bewertet nicht. Aus ihrer Sicht gibt es nur wertvolle Erfahrungen. Sie weiß, dass alles zur rechten Zeit kommt. Ich bin erleichtert. Ich kann gar keine Zeit vergeuden. „Zeitvergeuden“ ist Teil der Ego-Illusion. Genau wie der Tod. Das nimmt mir den ganzen Druck. Und ermöglicht den Fluss der Kreativität. Das Sprudeln der Seele, das so glücklich macht.